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Der Dieselskandal und die Folgen

9. April 2018 | Landes- & Bundespolitik, Verkehr & Stadtplanung

Jürgen Hennlein, der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Waldbröl hat an den neuen Bundesverkehrsminister einen Brief geschrieben, in dem er die Versäumnisse in der Verkehrspolitik und kurzsichtige Perspektiven einer verfehlten Umwelt- und Verkehrspolitik anprangert.

Wir veröffentlichen sein Schreiben im Wortlaut.

An den
Bundesverkehrsminister
Invalidenstr. 44
10115 Berlin

Mein Diesel-Auto

Sehr geehrter Herr Minister Scheuer,
ich wohne in dem Dorf Bröl (400 Einw.), 3 km entfernt von der Kleinstadt Waldbröl (20000 Einw.). Einen „ÖPNV“ gibt es nur an Werktagen. Montags bis freitags fährt der Bus nur 11mal am Tag, samstags 4mal, an Sonn- und Feiertagen gar nicht. 

Wenn ich zur Kreisstadt Gummersbach mit dem ÖPNV möchte, brauche ich zwischen 59 und 75 Minuten für 22 km, nach Köln 120 bis 135 Minuten für 66 km.

Wenn ich mein Auto nutze, brauche ich nach Gummersbach 31 Minuten, nach Köln 53 Minuten. Mein nächster Lebensmittelladen und Bäcker liegt 2 km entfernt.

Dass unter diesen Gegebenheiten beinahe alle Menschen Auto fahren müssen, ist wohl leicht nachvollziehbar. 

2015 ließ ich eine neue Erdgas-Heizungsanlage auf Niedertemperaturbasis einbauen.

2012 kaufte ich mir einen guten gebrauchten VW Touran Diesel, mit grüner Plakette (EURO 4). Das waren meine Beiträge zur Verringerung der Erderwärmung durch CO2. Damals hatten wir in Deutschland ja auch noch nicht die Klimaziele aufgegeben. Meine neue Heizung sparte ein Drittel CO2 ein, mit meinem neuen Auto verbrauchte ich nunmehr 6 l Diesel auf 100 km anstatt 10 l Benzin zuvor. Das ist etwa die Halbierung meines CO2-Ausstoßes beim Auto fahren. 

Auch damals wusste man, dass NO2 beim Autofahren entsteht und dass es giftig ist! Trotzdem wurde der Dieselfahrer als Umweltschoner gefeiert! Schließlich war uns in Deutschland die Erderwärmung und damit das Schicksal der Menschen auf den Pazifikinseln und in Bangladesch  nicht gleichgültig.

Einschränkungen mit meinem Diesel durch Fahrverbote sind für mich nicht akzeptabel! Ich habe ein Auto erworben, das das Kraftfahrtbundesamt für den Straßenverkehr ohne Einschränkungen zugelassen hat. Es wurden bei Abgasmessungen bei NOX 0,156 g/km und bei CO2 161 g/km festgestellt. Wenn diese Angaben nicht der Praxis entsprechen, ist das ein Problem des Herstellers VW, der für die Korrektheit der Werte seiner Produkte haften muss! Ich bin mit Nachrüstungen aller Art auf Kosten des Herstellers einverstanden.

Die geplanten Einschränkungen von Fahrverboten, sowie der Wertverlust meines Autos kommen einer Teilenteignung gleich, die ohne Entschädigung dem Grundgesetz widerspricht.

Das Schlimme dabei ist: Es gibt für mich keine wirklichen Alternativen zu einem Diesel-Auto.

1. Ich kann mit riesigem Verlust mein Diesel-Auto verkaufen, nehme dann einen Benziner und erhöhe den CO2-Ausstoß um ein Drittel. In wenigen Jahren wird man auf die Benzin-Fahrer einhauen, weil sie soviel CO2 produzieren und der Zeitgeist dieses Problemgas wieder entdecken wird, wenn die Erderwärmung noch schneller voranschreitet. Ist das sinnvoll? 

2. Ich kann mit riesigem Verlust mein Diesel-Auto verkaufen, nehme dann einen Stromer. Nun gibt es bei mir zwar keine Problemgase mehr, aber der Umwelt ist es egal, ob in Bröl oder westlich von Köln die Gase produziert werden. Solange der Strom bei uns hauptsächlich aus den Braunkohlekraftwerken westlich von Köln produziert wird, ein Großteil beim Transport zu mir auch noch verloren geht und Kinder in Afrika die Rohstoffe für die Batterien als Arbeitssklaven aus dem Boden buddeln müssen, kann ich mich damit auch nicht anfreunden. Die Umweltbilanz eines Stromers ist nicht besser!

Die schlimmsten Stickstoffoxidverursacher werden offensichtlich unbehelligt gelassen? Was ist mit dem Schifffahrtsverkehr? Was ist mit dem Flugverkehr? Was ist mit dem LKW-Verkehr? Was ist mit den Wohnungsheizungen mit fossilen Brennstoffen? Was ist mit Kerzen, Gasherden, Rauchen in geschlossenen Räumen?

Für eine NOx-arme Umwelt dürfte es auch keine Waldbrände und Gewitter mehr geben.

Als Arbeitnehmer dürfte ich acht Stunden werktäglich, 40 Stunden die Woche, 40 Jahre lang 40 µg/m3 Stickstoffdioxid ausgesetzt werden. Das gilt als unbedenklich. Der MAK-Wert liegt sogar bei 0,95 µg/m3, der fast nirgends erreicht wird.

Die einzige wirkliche Alternative wird durch eine übermächtige Lobby verhindert: 

Elektrische Autos, die mit Brennstoffzellen ihren Strom selber erzeugen aus Wasserstoff! Die Technik ist verfügbar, sie müsste nur in Großserien umgesetzt werden. Der Wasserstoff wäre in beliebiger Menge produzierbar. Immer wenn mehr Strom durch erneuerbare Energien vorhanden ist, als benötigt wird, könnten große Anlagen an der Küste aus Meerwasser Wasserstoff per Elektrolyse gewinnen und in Gasbehältern zwischenlagern. Dann brauchten auch nicht alle Nase lang Windkraftanlagen stillstehen müssen, weil zuviel Strom vorhanden ist. Der Wasserstoff könnte auch langfristig das Erdgas ersetzen.

Was für eine tolle Vorstellung: Ich fahre mit meinem Auto durch die Innenstadt und verbessere mit meinem Wasserdampf aus dem Auspuff auch noch die Luft!

Solange dieses noch Zukunftsmusik ist und diese Option wahrscheinlich demnächst ausschließlich in China in Produktion geht, sehe ich keine Alternative zu meinem Diesel.

Aber wahrscheinlich wird unsere Automobil-Wirtschaft dann sowieso den Bach heruntergehen, weil wir in Deutschland die Entwicklung genauso verschlafen wie bei der Photovoltaik.

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Hennlein

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